Die Wäsche meiner Nachbarn


                                          

Für ihr Projekt „Die Wäsche meiner Nachbarn“ widmete sich die Textilkünstlerin Rebekka Rauschhardt einer besonderen Art von Alltagskünstlern im öffentlichen Raum: Sie durchstreifte Hinterhöfe, Gärten und Wäscheplätze in Halle und dokumentierte die Art und Weise der jeweiligen „Wäschehängungen“. In genähten Einzelkunstwerken aus Stoffelementen von unterschiedlichen Größen und Umrissen veranschaulicht sie eine besondere Form von Alltagskultur. Die farbintensiven Arbeiten geben die persönlichen Vorgehensweisen, Utensilien und Wäschestücke der ins Visier genommenen Personen wieder. In der künstlerischen Interpretation lassen sich Muster von Ordnungswillen, Pragmatismus, Chaos und Intuition feststellen. Neben den textilen Arbeiten entstanden in skizzenhaften, humorvollen Gesprächsnotizen quasi-soziologische Studien über die Wäschekünstler, deren Altersgruppen, Geschlechtertrennung, Paarverhalten und regionale Besonderheiten. Ihre Ergebnisse fasste Rebekka Rauschhardt in einem anschaulichen Buch zusammen. (Kunststiftung Sachsen-Anhalt)

ES FOLGT IN AUSZÜGEN 12 VON 50
von Experten für Experten

  

 Jabberwocky von Christian Enzenberger
„Hab acht vorm Zipferlak, mein Kind! Sein Maul ist beiß, sein Griff ist bohr.
Vorm Fliegelagel sieh dich vor, dem mampfen Schnatterwind.“


                                     Das große Drama



Was für eine Inszenierung! Großartig! Applaus für diesen gelungenen Auftritt!
Hier wird die spannungsgeladene und entsetzliche Geschichte eines Ungeheuers in Gestalt eines Bettlakenmonsters erzählt. Aber es ist nicht nur allein die furchterregende Flatterhaftigkeit und diese scheußliche Übergröße - vom Typ her amerikanisches Bett, die hier die Nerven strapaziert. Es sind ebenfalls dramaturgisch perfekt besetzt, diese kleinen förmlich kreischenden Quitschpinksocken, welche rigoros und unausweichlich das Ungetüm links und rechts flankieren. An vorderster Front ragen gewaltige Hauer eines Nachtschlaffressers von der Liste der vermeintlich ausgestorbenen Arten in Reih und Glied dem Betrachter entgegen.
Uuuuaaargh!
Fest steht: Das ist keine zufällige Begegnung. Hier wurde in der Wäschekorbhölle so lange rumgewühlt und durchprobiert, bis alles gut zum „Trocknen“ aufgeräumt war. Natürlich kann Einjeder diesem Albtraum nicht entkommen. Also sei dem Autor eine gewisse Absicht unterstellt. Dafür sprechen auch die gezirkelten Wäscheabstände (keinerlei Fluchtmöglichkeit zulassen) und die Zipfelhängung. Bei der Zipfelhängung beweist man Risikobereitschaft zugunsten eines unvergesslichen Auftrittes. Es gibt kaum Rückstände bei den Klammerabdrücken (mangelnde Beweise), auch bauscht sich das gefräßige Monster mit seinem Gebiss unerzogen und sagenumwoben im Wind und am Ende vielleicht im Gebüsch.
Vielleicht in einem Hollundergebüsch. Und dann auch noch, als der gerade im letzten Moment reif war ... und das gibt dann verräterische Flecken.



 Heinrich Heine sagte einmal:
„Deutschland. Das sind wir selbst.“


                                                         Schwarz Rot Gold
 


Haben Sie auch Angst vorm Zahnarzt?
Also ich habe ganz furchtbare Angst vorm Zahnarzt. So furchtbare Angst, dass ich über mehrere Jahre hinweg überhaupt gar nicht mehr zum Zahnarzt gegangen bin. Natürlich habe ich jetzt den Salat. Natürlich hab ich auch kein Bonusheft. Und ja, ich bin stolz drauf, dass ich meine Zähne selber bezahle und zwar jeden Einzelnen. Natürlich habe ich auch keine Zahnzusatzversicherung. Leider habe ich mir auch nicht ständig die Zähne geputzt.
Menschen mit schneeweißen Zähnen sind mir sowieso suspekt. Als ob Schnee weiß wäre.
Die Schmerzen kann ich ertragen. Schlimm sind nur meine nächtlichen Träume. Oft träume ich nachts, dass mir plötzlich alle Zähne ausfallen und ich bin doch noch soooo jung! Manchmal fällt nur die Hälfte der Zähne raus, also die Oberteile, die Wurzeln bleiben drinne und meine Mundhöhle sieht aus, als hätte dort jemand Impakt gefeiert. Letztens war ich in Miniatur in meinem eigenen Mund und konnte mir meine Zähne von Nahem anschauen. Zum Glück spielte der Traum nachts, da war es nicht ganz so hell.
Nachdem ich diese Wäschekomposition gesehen habe, bin ich schnurstracks zum Zahnarzt gegangen. Sie sehen hier eine überrealistische Darstellung meines Gebisses. Zwei böse schwarze, faulige Zähne. Aber auch zwei schöne Weiße. Die Roten erinnerten mich daran, dass meine Zähne auch in echt rausfallen könnten. Und die Goldenen an all die Überstunden, die vor mir liegen, um die nächste Rechnung bezahlen zu können. Und dann gibt es noch die braunen Zähne. Die fraglichen Nazizähne - ab zur Zahnreinigung!
Sie bemerken, „Schwarz Rot Gold“ hat für mich eine völlig andere Bedeutung.
Schwarz = böser Zahn, der schon wackelt und total tot ist
Rot = der Zahn wird gezogen
Gold = Krone



 „Myne Fru de Ilsebill, will nich so, as ik wol will.“
Gebrüder Grimm, „Vom Fischer und seiner Frau“
„Ilsebill salzte nach.“
erster Satz aus dem Roman „Der Butt“ von Günter Grass

  
                                   Immer schön der Reihe nach ... 


Einmal im Leben steht ein Ereignis ins Haus, welches den Verbrauch aller Küchentücher erfordert. Wir zählen acht rote modernere Wischtücher, 16 weiße Leinentücher, einen Fehlkauf im Doppelpack und sechs billige Wischtücher für den Notfall, der hier wohl eingetreten sein muss. Welche Katastrophe kann so viele Küchentücher zu sich rufen? Eine Hochzeit? Drillinge? Ein Überraschungsbesuch gewöhnlicher Motten? Frühjahrsputz? Oder wurde hier ein Werbespot gedreht? Sie müssen sich vorstellen, dass alle diese Wischtücher kurz vorher, ihrem Wesen nach, im Einsatz waren und demzufolge bekleckst, verklebt, angeeckt und krustig wurden. Wie viel Flüssigkeit hat sich auf feuchtigkeitsempndlichen Oberächen verteilt. Wie viel Kaffeesatz, Marmeladeklackse, Honigfäden, Butterreste, Bratschsoße, Zwiebelsaft und Fliegendreck wurde hier ins Jenseits befördert. Augenscheinlich ist das Werk vollbracht. Und das muss eine Heidenarbeit gewesen sein. Es ist an der Zeit, dass wir hochachtungsvoll eine Gedenkminute einlegen, um diesem fleißigen Bienchen hier Respekt zu zollen.
Die Vernichtung diverser Schmutzherde dieses Ausmaßes rang der Kommandoinhaberin aller Wischtücher gewisse Strenge aber auch Stolz ab. Sie erkennen das daran, dass sie ihre kleinen Küchenpolizisten der Karriereleiter nach befördert. Ganz oben stehen die auffälligen Roten, die man braucht, um sie Gästen vorzuführen. Danach kommt die Aussteuer, ihr Erbe, ihre Verbindung zu den Ahnen, gemeinerweise in Blütenweiß. Dem schließt sich die Reserve an. Verstehen Sie diese Wäschekomposition als eine Kampfansage an jeglichen Keim. Gelassen und geduldig wartet eine komplette Kavallerie, gut ausgebildet, um beherzt zuzuschlagen. Währenddessen der Herr Gemahl mal eben angeln gegangen ist.



Die Ägyptische Finsternis bezeichnet heute die Sandstürme,
die am Nordrand der Sahara vorkommen und die Sichtweite bis auf wenige Meter
reduzieren können. Man nennt sie auch Dunkelmeer.


                                           Nachtfalter

 
Und im Dunkelmeer leben Tiefseesche.
Nachtfaltergleich machen sie dort, weiß der Geier was. Es war ja noch niemals jemand vor Ort, um sie zu studieren. Bei Nachfaltern, weiß das auch niemand, denn es sind ja N A C H T - Falter, und nachts ist es wie im Dunkelmeer. Es sei denn, irgend so ein Verrückter zündet plötzlich ein Feuerwerk. Damit meine ich kein Tischfeuerwerk, sondern eines mit Schießpulver, Schwefelextrakt und plutoniumhaltigen Funkenregen. Kreischend zieht das Unsägliche eine Qualmwand hinter sich her. Während der Verrückte mit weit aufgerissenen Augen, die Arme steif nach unten durchgedrückt, die Hände geballt zu Fäusten, wie ein Gummiball auf und nieder hüpft. Aus seinem Mund kommen seltsam erstaunliche, orgiastische Geräusche.
Aber just in diesem Moment kam vielleicht gerade ein Nachtfalter daher. Leider ist der Lärm des Verrückten so verstörend, dass wir wieder nicht mitbekommen haben, was der Nachtfalter da gemacht hat und wie er überhaupt aussieht.
Offenbar hat unsere Wäschekünstlerin aber gut aufgepasst und sich nicht von einem daher gelaufenen Pyromanen beeindrucken lassen. Sie hat ihr kleines dunkelblaues - dunkelblau wie Dunkelmeer - Notizbüchlein gezückt, und spontan inspiriert, unverzüglich eine reizende Skizze von dem bisher unbekannten Nachtfalter angefertigt. Ja, ist das nicht sensationell?
Seitdem hängt sie ihre Wäsche ausschließlich nachts auf. Und in Nächten, wo es ganz stark blitzt, zum Beispiel kurz vor einem sintutartigen Regen, können Sie einen Nachtfalter in Überlebensgröße sehen. Die Wäsche ist dann leider hinüber ... .



 Pablo Picasso sagte einmal:
„Ein Mensch, der seine Arbeit liebt, wird niemals alt.“


                                         Ein Stückchen Schokolade


Wäscheaufhängen ist manchmal wie heimlich naschen. Das kann man für sein Leben gern machen. Das Einfachste beim Heimlichnaschen ist, der Situation angepasst, bei entsprechender Gelegenheit blitzeschnell zuzuschlagen und es unauffällig runterschlucken. Ein paar mal ist das die erfolgreichste Variante, heimlich zu naschen. Aber irgendein Erziehungsberechtigter wird diese Vorgehensweise früher oder später durchschauen, zumal die Hälfte der Tortendekoration schon fehlt. Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Dann gerät man nämlich unter Aufsicht. Heimlich naschen wird daraufhin zum Coup deines Lebens. Nachts wird nicht mehr geschlafen. Es müssen Zeichnungen mit variablen Fluchtwegen angefertigt werden. Verdächtige Geräusche tagsüber lokalisiert, werden nächtens eingeprägt. Alibis müssen herbei phantasiert werden, während einem die Spucke im Munde zusammenläuft. Und wichtig. Wichtig. Wichtig. Immer die Gunst der Stunde nutzen!
Liebhaber des Wäscheaufhängens stellen schon mal spontan die Waschmaschine an. Dabei war die Wäsche gar nicht dreckig. Na und? Natürlich darf man so was keinem erzählen. Außerdem kann die Vorfreude auf das Aufhängen, den Akt des Hängens ins Fieberhafte steigern. Und dann hat man endlich eine Maschine voll.
Gleich. Gleich. Gleich, frohlockt das Hängeherz. Noch eine Stunde warten. Schleudern muss nicht sein. Draußen ist es warm, da kann das alles klatschenass sein. Diese blöde Waschmaschine hat nach vollendetem Waschgang so einen Sicherheitsscheiß. Drei Sekunden warten. Piep. Raus, raus, raus und flugs in den Garten. Hier kann man dann wieder ein bisschen das Tempo drosseln. Man kann sogar direkt den Wäschekorb abstellen und zum Beispiel mal gucken gehen, ob zufällig ein Brief gekommen ist. Aber dann!
Was für ein Vergnügen. Leider geht es immer wieder viel zu schnell. Deshalb kann man sich nach dem Aufhängen noch kurz zwischen die Leinen stellen und vielleicht ein kleines bisschen tanzen.



„Cherchez la femme!“
„Da steckt sicher eine Frau dahinter!“
besagt eine französische Redewendung


                                                         Der Sockenschatz
 

Das war ein Mann.
Sicher, jeder Mensch hat auch eine Mutter. So auch dieser Mann. Und einer Redewendung nach sagt man auch: „Hätte die Mutter des Königs, ihm rechtzeitig eine geknallt, so hätte der Krieg vermieden werden können.“
Was hat diese Mutter ihrem Sohn da beigebracht?
Erstens, damit Wäsche auch wirklich trocken wird, braucht sie Luft. Sorge für ausreichend Luft!
Ergo: Sie sehen vier Leinen. Die vordere Leine ist leer bis auf ein paar Klammern. Die zweite Leine wurde besetzt. Die dritte Leine ist leer bis auf ein paar Klammern. Die vierte Leine ist besetzt.
Zweitens, spare Zeit, durch gute Vorbereitung. Sorge bei der Hängung für eine Artentrennung!
Ergo: Sie sehen eine Leine mit kleinen Wäschestückchen und eine Leine mit großen Wäschestücken.
Drittens, willst du lange Freude haben an deiner Kleidung, dann sorge für Einfarbigkeit in der Trommel!
Ergo: Sie sehen, der Sohn kauft ausschließlich Kleidung in schwarzer Couleur.
Viertens, Klammern hinterlassen Spuren. Sorge für einen Geistesblitz!
Ergo: Sie sehen die Hose auf der zweiten Leine, großes Wäschestück, das zweite von links - zwei Klammern
an jedem Hosenbein. Genau an der Naht.
Fünftens, Klammern sind von Natur aus klein und kommen in Scharen daher. Sorge für einen Klammerbeutel!
Ergo: Klammerbeutel? Jetzt ist aber genug! Sie sehen die Klammern sind schon gut aufgeräumt. Die Klammern sind genau da, wo sie gebraucht werden - auf der Leine. Je nach Bedarf kann jede Einzelne genutzt werden.
Ob diese Mutter stolz auf ihren Sohn ist?
Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass da 14 Socken hängen und nur eine Hose, ein Pulli und zwei Handtücher? Sieben Sockenpaare und nur ein Pulli?
Sechstens, willst du Schweißfüße vermeiden, dann sorge für Natron in deinen Schuhen!



„Kunst ist Mathematik.“
Alexej Jawlewsky

                                      Der Böse Wolf


Der böse Wolf kommt hier in Gestalt einer herzzerbrechenden Ölpest daher. Wütend greift sie, ausgehend von der ersten Leine und langsam kriechend Richtung Leine zwei, die Heerscharen der unschuldigen jungfräulichen 90 Grad- Lappen an. Bei diesem Anblick bleibt kein Auge trocken. Das darf nicht sein! Was, ja was, hat sich die Wäschekünstlerin denn hierbei gedacht? Hätte man die Ölpest nicht in einem anderen Leben waschen können? Peinlich genau wurde, wie es einst Aschenputtel mit den Erbsen tat; nach Gattung, Farbe und Größe getrennt. Zuerst wurde alles, was direkt um die Waschmaschine herum verstreut lag, auf kürzestem Wege
in der Trommel verstaut, um dann auf den Knopf zu drücken. Genau genommen waren es vier Handtücher und vier Waschlappen in der schon Unheil verkündenden Farbe rot. Während die erste Ladung rund lief, blieb ausreichend Zeit, das Bett abzuziehen und Küchentücher waschmaschinenreif zu machen. Das Kabinettstück mit den Küchentüchern stelle ich mir im Übrigen sehr schweißtreibend vor. Nun, inzwischen war die erste Ladung schon fertig und die zweite hatte die Vorwäsche schon hinter sich, da begann unsere Autorin, wie es das Tafelwerk fordert, die hinterste Leine auszurechnen. Dabei stellte sie fest, dass ihr insgesamt fünf Leinen zur Verfügung stehen. Also, nichts wie zurück zum Schleudergesang. Alsbald fand sie entsetzlicherweise die Ölpest.
Vielleicht lag die irgendwo im Treppenhaus oder sie kam mit der Post? Wahrscheinlich konnte sie es kaum erwarten, endlich auch die letzte Leine zu bestücken. Raus mit dem weißen Plunder, aber immer schön der Reihe nach. Was sollen denn die Nachbarn denken? Die Naturkatastrophe kommt ja noch.
Und dann, endlich, schreitet sie zur Tat. Nach all den Vollwaschgängen, hätten wenigstens die Handtücher und vielleicht das ein oder andere Küchentuch schon mal in Sicherheit gebracht werden können.



 Heinrich Heine sagte einmal:
„Die Musik bei einem Hochzeitszug erinnert mich immer an die Musik
von Soldaten, die in den Krieg ziehen.“


                                                              Parantatatam


Huijuijui!
Eine Siegesparade mit den Waffen einer Frau!
Männerphantasien wachsen sich zu tosenden Meeren aus. Die Assoziationen in technicolor zu Pfennigabsätzen, einem Jaguar, dem Roten Teppich, Lippenstiftspuren, Champagner und einem Blitzlichtgewitter liegen nahe. Rien ne va plus. Die Nacht ist unser, Schätzchen.
Gebrochene Herzen pastern ihren Weg, ihr Auftritt schluckt jedes Geräusch, das Blut kocht.
Wie ein schwarzer Hengst auf Frühlingsweiden, rast dieses Wäscheroulette in unsere scheuen Betrachteraugen hinein. Lassen Sie sich von dem Tumult in ihren Schläfenadern nicht beeinflussen! Konzentrieren Sie sich auf die Regeln der Hohen Wäschekunst.
Aber, ach auch hier wird es gefährlich. Verführerisch lockt das Kleid auf Leine drei. Schamlos lächelt rote Seide auf Leine zwei. Langsam schlängeln sich schwarze halterlose Strümpfe, die Sinne peitschend, auf Leine eins. Oh Gott! Sie benutzt beim Aufhängen der Wäsche dieselbe Reihenfolge wie beim Anziehen! Das ist nicht mehr jugendfrei.
Statt Klammern sitzen dickliche nackte Engelchen mit Pfeil und Bogen im Anschlag auf der Leine. Doch den Blick abzuwenden, wäre zu viel verlangt.
Den Verstand haben wir an der Eintrittskasse schon abgegeben. Jetzt hilft lediglich nur noch ein plötzlicher Unwettereinbruch, Tief Emma oder so.

 

 „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“
Gebrüder Grimm

                                    Sag jetzt nix ... 


„Ich gehe meinen Weg immer allein. Auch die Nacht fürchte ich nicht. Ich verrate niemandem meinen Namen. Mich begleiten nur 40 spielende Violinen. Ich weiß, dass alles was ich tue, gut für mich ist. Mir begegnet nichts. Da habe ich einfach kein Interesse dran. Alle außer mir sind Borderliner. Ich kann zwar Stroh zu Gold spinnen, doch dafür möchte ich der Königin ihr Kind.
Die Violinen schweigen nie. Und wenn ich meine Wäsche aufhänge, dann bevorzuge ich die nächst besten Leinen. Seit wann gehören denn Leinen den Leuten. Bloß weil sie die Leinen gekauft haben? Ich habe noch nie Leinen gekauft. Das interessiert mich nicht.
Stehe ich vor den Leinen, beginne ich damit, meine Wäsche über die Leinen zu schmeißen. So etwas wie Klammern lehne ich ab. Hier geht es um die Befreiung der Klamotte, um den Tanz im Farbrausch. Das einzige kleine knisternde Feuer in der Nacht.
Meine Farben sind immer stark. Ich habe viel Zeit. Ich kann warten. Es macht mir auch nix aus, wenn meine Wäsche länger trocknet, als die der Borderliner. Meine Lieblinge habe ich immer gern im Blick. Natürlich habe ich Freude am Experiment. Aber da gibt es nichts, was mich überraschen würde.
Es sei denn...aber ach wie gut, dass niemand weiß ...“
Liebe Leser, lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen.
Genießen Sie dieses Arrangement, dieses plastische Vergnügen, diese leidenschaftliche Skulptur.
Und schweigen Sie.



„Dialektik ist nur eine Form der Rache.“
Friedrich Nietzsche

                                                   Den Fahrschein bitte!



Hier beobachten Sie das schlechte Gewissen der Bewohner eines Mehrfamilienhauses.
Es mischt sich in das Leben der anderen ein, unberechenbar und jederzeit.
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie gleich vom Schlag getroffen werden - aber es gibt von allen möglichen Wegen, nur einen einzigen richtigen Weg. Den Goldenen Weg. Es ist auch nicht so, dass jeder seinen eigenen Goldenen Weg hätte. Nein, es gibt für alle nur diesen Einen. Man kann auch nicht darauf hoffen, dass einem irgendwann im Leben diese Erkenntnis einzuholen vermag. Diese Erkenntnis muss man so früh, wie nur möglich gewinnen.
Erst dann macht der Goldene Weg Sinn und bringt unserem kleinen Nachbarschaftsterroristen auch Freude.
Das gesamte Ausmaß des Goldenen Weges auf drei Leinen.
Unauffällige Farben verlängern das Leben. Daran kann man sich ruhig ein Beispiel nehmen.
Von links oben bis rechts unten erleben sie einen ausgezirkelten Größenverlauf. Zuerst kommt das Bettzeug, gesichert mit vier Klammern in gleichmäßigen Abständen. Danach folgen der Größe nach sortiert fünf Oberteile in Zipfelhängung. Die Klammern soweit außen wie nur möglich, um geschickt aber selbstverständlich die unnötigen hässlichen Abdrücke zu vermeiden. Zuletzt kommen die Strümpfe, paarweise, wiederum der Größe nach platziert.
Das Besondere des Goldenen Weges ist, dass jeder Verbrecher, jeder Dieb, jede verlogene Intrigantin, jeder geborene Verräter und alle Schlampen tunlichst diesen Weg meiden. Man aber selbst einen Guten Platz an der Sonne hat. Der „Abschaum“ hingegen hat überhaupt gar kein Interesse am Goldenen Weg. Egal.
Fest steht, dass unsere Wäschekünstlerin ihr Reinigungsritual zelebriert. Einen Vorwurf kann man ihr deshalb nun wirklich nicht machen.



Kurt Schwitters sagte einmal:
„JA, ja Kunst ist Mode.“


                                                            Der Exzentriker

 
Exzentriker neigen zu Eigenheiten in ihrem Verhalten und ihrem Lifestyle, die für die Gesellschaft nicht mehr nachvollziehbar sind. Aber keine Bange, für gewöhnlich sind sie ungefährlich. Sehr oft erreichen Exzentriker auch ein beneidenswert hohes Lebensalter. Viele bleiben kinderlos, sie haben kein Interesse an einer Partnerschaft und bemerken es noch nicht einmal, wenn die Leute mit dem Finger auf sie zeigen.
Irgendetwas in ihrem Verhalten, an der Art und Weise, wird selbst den Laien von ihrer Außergewöhnlichkeit überzeugen. Exzentriker sind zutiefst und hochbegabt mit ihrer eigenen Welt beschäftigt. Alltagssorgen haben sie nicht. Sorgen überhaupt sind Erndungen dahergelaufener Dadaisten.
Unseren Exzentriker hier erkennt man an der Vorliebe für geometrische Muster auf der Haushaltswäsche. Handtücher und Bettzeug sind maskulin gestreift, beziehungsweise kariert. Er trägt rosa Söckchen und einen knalltürkisfarbenen Schlafanzug.
Und nun möchte ich, dass Sie sich das mal bildlich vorstellen. Da läuft einer durch seine gestreifte Wohnung in einem schreiend türkisen Nikischlafanzug und hat an den Füßen rosa Socken. Bis auf die Söckchen ist immer alles tipptopp in Ordnung. Die Bettwäsche wird getrennt von den Küchentüchern und diese wiederum von den Handtüchern aufgehangen. Der Schlafanzug stolziert zentral und bekommt eine eigene Leine mit einem kleinen Söckchenpärchen. Zwei kleine Einzelsöckchen tanzen neckisch aus der Reihe.
Ihnen wird auch aufgefallen sein, dass dieser Spezialist ebenfalls klammersparend agiert. Leider sehen Sie hier das Arrangement vor dem Sturm. Sicher, einen Exzentriker beunruhigen solche Kleinigkeiten ganz und gar nicht.



Alfred Hitchcock sagte einmal:
„Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität.“


                            Noch alles unter Kontrolle?

 
Haben Sie eine Vorstellung vom Reiz des Grauens?
Kennen Sie nicht diese köstliche Vorfreude, die kurz vor dem Besuch einer Geisterbahn über Sie hereinbricht? Möchten Sie nicht jedes blutrünstige Detail eines Verbrechens auskosten?
Gänsehaut, Herzklopfen, kalter Schweiß - der Psychothriller im Plasmaformat würzt den entspannten Feierabend. So lange ein beruhigender Abstand zwischen dem Horror und uns liegt, ist er doch ein süßes Pralinenvergnügen, zartbitter mit Schuss. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Die Wächter, die uns schützen. Dass doch das Gute siegen möchte. Die Gefahr gebannt im Hochsicherheitstrakt.
Das Spiel mit der Angst kann haltlos werden - der Angst, die in uns wohnt.
Haben Sie Ihre Klammern schon gezählt? Fehlt auch keine im Schrank? Sicher? Prophylaktisch kann man schon mal Alarm schlagen. Denn das Grauen wartet in jedem Schatten. Aus den Ritzen im Fußboden kann es kriechen.
Immer bereit. Immer vorbereitet.
Der Autorin dieses Psychothrillers ist offensichtlich ein Vorfall passiert.
Dinge verschwinden. Etwas gerät durcheinander. Man kann nie genug Klammern haben, sozusagen als gute alte Reserve. Man muss sich wappnen. Niemandem kann man trauen. Selbst bei einer Klammer tun sich Abgründe auf. Zu Ihrer eigenen Sicherheit geben Sie niemals eine riskante Vorlage. Trauen Sie keiner einzelnen Klammer. Nehmen Sie Zwei.
Doppelt hält besser. Sie werden dadurch Ängste bezwingen, von denen Sie bisher keinen blassen Schimmer hatten. Das ist nicht nur sehr beruhigend, sondern auch lustvoll. Eine kleine unscheinbare Lust, die niemanden etwas angeht. Die Klammerlust. Es gibt natürlich Berufsbilder, die ihr Geld damit verdienen, Klammerliebhabern diverse Traumata zu unterstellen. Aber es wird viel erzählt und die Tage sind lang.



Wenn Sie tatsächlich bis hierhin gelesen haben und es Ihnen auch noch gefallen hat; es gibt noch viel mehr davon.
Ein ganzes Buch zum Glück.
Darin sind auf pseudopsychologische Art 50 Wäschehängungen ausgewertet. Des weiteren findet sich ein umfangreiches Kapitel, worin sehr ausführlich beschrieben wird, wie es überhaupt soweit kommen konnte. 


Das Buch gibt es nur von der Autorin Rebekka Rauschhardt und kostet 15 Euro.